Freitag, 31. Mai 2013

Meine Erfahrungen in der tansanischen Kindertagesstätte


Wie ich über stromdurchflossene Stromleitungen kletterte

Auf meinen ersten Tag in der tansanischen Kindertagesstätte freute ich mich sehr. Jeden Donnerstag volontiere ich dort. Im Vorfeld wurde mir erklärt, dass Flora, die tansanische Leiterin der Kita, in Amerika studiert hat und sie die Kinder bilingual unterrichtet, jedoch sehr betont, dass es eine englische Kita ist… So viel zum gut klingeden theoretischen Konzept.
Beate holte mich ab und brachte mich am ersten Tag zur Kita um mich vorzustellen. Doch schon der Hinweg wurde abenteuerlich. Da es nachts sehr stark geregnet und gestürmt hatte, sind auf dem Grundstück der Kirche, auf welchem sich auch das Gebäude der kleinen Kita befindet, zwei Strommasten zusammengebrochen. Die ganzen Stromkabel lagen nun auf dem Boden und versperrten komplett den Zugang zum Grundstück. Beate (sie lebt schon seit 20 Jahren in Tansania) meinte mutig: „Ach, das wurde bestimmt schon von den Anwohnern gemeldet. Da fahren wir drüber.“ Ich, vorsichtig wie ich bin: „Ähhm… ich trau dem nicht so ganz… ich glaube ich hüpfe lieber zwischen den Drahtseilen durch – nur um sicher zu gehen… Die Afrikaner sind ja meist etwas gemütlicher.. nicht, dass da noch Strom drauf ist.“ Wir parkten also das Auto vor den gefallenen Strommasten und starteten unseren Balanceakt zwischen den Stromleitungen hindurch um zur Kita zu gelangen. Die offene Ankunftsphase ist zwischen 7.30 Uhr und 8.00 Uhr. Die ersten Kinder trudelten um kurz nach acht ein, wie auch die Leiterin. Einigen kletterten nahe der Mauer unter den Stromleitungen durch, andere hüpften drüber. Nachdem ich kurz vorgestellt wurde und Beate wieder gefahren war meinte Flora, sie müsse die Stromfirma kontaktieren um sicherzugehen, dass der Strom abgeschaltet sei. Die Antwort schockierte mich total: „Nein! Bisher ging noch keine Meldung ein. Sie würden sich demnächst (!) darum kümmern.“ Oh man… „Gut, dass mein Balanceakt geglückt war“ dachte ich dankbar „sonst wäre ich jetzt wahrscheinlich gegrillt und kaum noch am Leben!“ Ausgehend von meiner deutschen sicherheitsfanatischen Sichtweise erwartete ich, dass nun großräumig das Gebiet um die Strommasten gesperrt werden würde und die ankommenden Kinder mit ihren Eltern umgeleitet werden, doch dem war nicht so. Gemütlich wurde der Raum gefegt und alles für den Tag hergerichtet. Mir blieb fast das Herz stehen und ich konnte kaum hinschauen, als die kleinen Kinder an der Hand ihrer Mama über die Strommasten hoppelten. Bin ich dankbar, dass Keines einen Stromschlag bekam. Mit einer halben Stunde Verspätung begann die Kita. 16 Kinder im Alter von 3-6 Jahren besuchen die Tagesstätte. In Schuluniform und mit kleinem Rucksack bepackt wurden der Reihe nach die Schuhe ausgezogen, ordentlich an die Wand gestellt und im Schneidersitz in Reih und Glied auf der Bastmatte Platz genommen. „Wow, hier geht’s geordnet zu“ dachte ich und nahm ebenfalls Platz. Wie ich schon vermutet hatte ist die Arbeit mit Kindern sehr verschult. Kita bedeutet hier nicht: Lernen im Freispiel mit anderen Kindern, individuelles Experimentieren und Erforschen oder altersgestaffelte Angebote. In Tansania ist es eher: allgemeines Auswendiglernen durch Nachsprechen und das in zahlreichen Wiederholungen. Unbeachtet des Wissenstandes oder des Alters: Alle lernen zur gleichen Zeit das Gleiche. Nach einem Lied und einer Vorstellungsrunde zum Einstieg wurden die Zahlen gelernt. Nachdem die lange wir-sprechen-alle-gemeinsam-im-Chor-Phase beendet war, mussten einzelne Kinder aufstehen und wurden abgefragt. Konnten sie die Zahlen fast fehlerfrei zuordnen wurde das Kind mit einem „Clap“ belohnt, d.h. alle Kinder singen „Good (name), good (name), good (name) – your`re a very goody girl/boy“, klatschen dabei einen Rhythmus und das Kind, welches gelobt wird wackelt währenddessen ganz lustig mit der Hüfte. Danach darf es sich setzen und das nächste ist dran. Als die Zahlen beendet waren gings ans Alphabet. Die gleiche Lernmethode wurde auch hier angewandt. Währenddessen wurde sehr auf die Disziplin geachtet. Die ganze Zeit mussten die Kinder im Schneidersitz ordentlich auf der Matte sitzen bleiben.


Der wahrscheinlich keimreichste Tee meines Lebens

Während des Kita-Tages haben die Kids eine Tee-Pause um zu frühstücken. Meist gibt es Maisbrei den sie aus ihren Bechern trinken oder manchmal auch ein Butterbrot und Chai (Tee). In der zweiten Pause gibt es das Mittagessen. Immer Reis – abwechselnd mit Bohnen oder Linsen.
An meinem ersten Tag als die Pause angekündigt wurde, fragte ich, wie ich helfen könne. Die Mitarbeiterin gab mir einen großen Eimer und einen Krug mit Wasser. Ich solle allen Kindern die Hände waschen, bevor sie ihr Brot bekommen. Gute Idee, dachte ich. Auf dem Plumpsklo gibt es nämlich weder Toilettenpapier, noch Wasser oder Seife. Zudem hatten schon einige ordentlich im Dreck gespielt. Ich ging umher und goss mit dem Krug Wasser über die Händchen der Kinder und fing das Abwasser mit dem Eimer auf (die Methode des Händewaschens war mir schon aus Uganda vertraut). Nachdem auch die Mitarbeiter die Hände sauber hatten, stellte ich den Eimer mit dem Abwasser in der Küche ab, da ich nicht wusste, ob und wo ich es ausgießen sollte. Mir wurde ein Stuhl und ein kleiner Tisch nach draußen gebracht und gastfreundlich wie die Tansanier sind, wurde ich auch zu Tee und Butterbrot eingeladen. Ich weiß nicht, ob die Mitarbeiterin meinen Blick bemerkte oder selbst über den ungespülten Zustand der mir gebrachten Tasse schockiert war – auf jeden Fall entschuldigte sie sich und ging die Tasse spülen. Ich dachte nur: „Hoffentlich spült sie für mich mit gefiltertem oder abgekochtem Wasser – Nach 3 Tagen Tansania habe ich mich noch nicht an die vielen Keime gewöhnt.“ Ich lugte hinter ihr her und was ich sah zog sofort meinen Magen zusammen. Sie wusch die Tasse in dem Abwassereimer, IM ABWASSER, das ich gesammelt und wohl am falschen Platz abgestellt hatte. Die Tasse wurde zurück gebracht, doch aufgrund der mangelnden Englischkenntnisse der Mitarbeiterin und meiner etwas unklaren und verspäten Reaktion wurde in die klatsch nasse Abwassertasse der Tee randvoll eingefüllt. Zwei freundliche Gesichter (Flora und Naomi, die Erzieherinnen) blickten mich erwartungsvoll an: „Probiere unseren Tee! Magst du ihn? Herzlich willkommen bei uns in der Kita. Lass es dir schmecken!“ „Oh nein. Zu spät! Der Tee war eingeschränkt, ich saß am gedeckten Tisch, Gastfreundschaft ist oberstes Gebot hier, es ist dein erster Tag, verscherze es dir nicht, du darfst nicht verlangen den Tee wegschütten zu lassen, unauffällig verschwinden geht auch nicht, alle 16 Kinder starren dich als Weise ununterbrochen an und die Mitarbeiter tuen es ihnen nach….“
Meine Gedanken überschlugen sich, doch dann kam ich zu dem Schluss: „Mist! Ich muss diesen Abwasser-Tee trinken… Ich glaube es führt kein Weg vorbei!“ Ich weiß nicht wie ich es geschafft hatte, aber ich habe tatsächlich die ganze Tasse Tee getrunken. Hab mich nicht getraut ihnen am ersten Tag vor den Kopf zu stoßen. Hier, in der Kultur in der es kein Wort für „schlecht“ gibt (es geht dir grundsätzlich immer gut) ist es generell sehr unhöflich jemanden zurechtzuweisen, besonders wenn man als Gast eingeladen ist und dann von einer Weisen… das wäre wirklich peinlich für sie… Ja.. ich hab mich nicht getraut. Aber daraus gelernt. Nochmal stelle ich meine Gesundheit nicht mehr unter die Gastfreundschaft. Das nächste Abwasser werde ich dankend ablehnen.
Alle Unterrichtstunden liefen nach dem gleichen Grundmuster ab: Vorsprechen, Nachsprechen, Einzelabfrage. Nach dem Lunch wurden alle Kinder auf Toilette geschickt und danach mussten sie in Reih und Glied zum Mittagsschlaf. Hierfür wurde in die Mitte des Raumes eine kleine Schaumstoffmatratze als Kopfkissen gelegt und ringsherum lagen die Kinder zum Mittagschlaf. Auch die Großen mussten schlafen. Nach dem Mittagsschlaf, so gegen 15.00 Uhr werden die Kids abgeholt.

Meine erste Unterrichtsstunde

Ich dufte mir auf dem Stundenplan eine Unterrichtsstunde aussuchen, die ich von nun an übernehmen sollte. Da zu meiner großen Enttäuschung die Englischkenntnisse der Kinder auf ein absolutes Minimum begrenzt sind, wählte ich die Creative Lesson. Basteln! :-) Ich dachte, das klappt bestimmt am besten ohne Suaheli-Kenntnisse meinerseits. Ein dickes Konzept wurde mir gebracht, ähnlich der Hamburger Bildungsempfehlungen für Kindertagesstätten, in dem genau die zu lernenden Kompetenzen der Kinder aufgeführt waren, z.B. mit Schere und Kleber umgehen können, mit verschiedensten Materialien basten usw. „Super“ dachte ich, „so eine gute Ausstattung und so ein toll ausgearbeitetes Konzept habe ich in Afrika nicht erwartet.“ Begeistert ging ich nach Hause und bereitete mich auf meine Kita-Bastel-Stunde vor. Doch leider merkte ich in der folgenden Woche, dass die Kluft zwischen Theorie und Praxis enorm ist. Angeblich hat eine Mitarbeiterin, die momentan auf Weiterbildung ist, zwei Mal pro Woche eine Creative Lesson unterrichtet. Ich dachte schon, so kleine Maienkäfer zu falten, die sehr einfach zu schneiden sind und schnell mit den schwarzen Punkten verziert sind, ist den größeren Kindern bestimmt viel zu einfach.. Hoffentlich ist es gut genug. Doch zu meinem Entsetzen gab es in der Kita weder eine Schere, noch einen Kleber, noch einen schwarzen Filzstift. Aha.. die Creativ Lessen fand anscheinend genauso statt wie englisch gesprochen wurde – gar nicht! Das einzig bunte Papier welches aufgetrieben werden konnte war grün. Ok.. heute basteln wir grüne Marienkäfer. Doch.. „was ist ein Marienkäfer?“, so die Nachfrage der Erzieherin. Ich hab erklärt, dass in Deutschland die Kinder immer viel Freude mit den kleinen Käfern haben, wo sie leben usw. Doch für sie war mein Käfer eher ein Skorpion.
Das Falten gestaltete sich schon als eine kleine Katastrophe, wo jedes Kind eine Einzelbetreuung benötigte. Ein Papier in der Mitte falten: Zwei Kanten aneinanderlegen und das Papier platt drücken – fertig…. Oder eben auch nicht! Erst brachte ich es der Erzieherin bei, damit diese es daraufhin den Kindern übersetzen konnte, doch so ganz klappte das nicht… Leider wusste nur eins der 16 Kinder, wie man eine Schere hält. Die anderen packten die linke Hand in einen Griff und die Rechte an den anderen und hielten die Schere horizontal. Oh… da kam Arbeit auf mich zu.. Doch die Kids freuten sich über die Einzelaufmerksamkeit, die sie beim Schneiden-Lernen bekamen. Es ging sehr langsam voran. Naomi, die tansanische Erzieherin hatte leider die besagte Geduld nicht. Ich probierte ihr deutlich zu machen, dass es für die Kinder wichtig ist, selber zu schneiden und diese Kompetenz zu erwerben und sie sah auch, wie sie sich freuten, als das Papier nicht mehr ausfranzte sondern sie es schafften einen sauberen Schnitt zu machen und die Schere schön durch Papier huschte… doch kaum drehte ich mich um und zeigte einem Kind, wie man mit dem Locher kleine Punkte ausstanzen konnte riss sie dem Kind die Schere aus der Hand und schnitt es selbst schnell aus. Ich war frustriert. Die Kinder waren überfordert, die Kita-Leitung glänzte mit Abwesenheit und Naomi hatte offensichtlich keine Lust und keinen Spaß an der Arbeit mit Kindern. Trotz allem Anmotzen und Bestrafen (woher sollen die Kinder Schneiden können, wenn sie es noch nie zuvor gelernt haben?) freuten sich die Kids über ihr gebasteltes Käferlein.
Abschließend habe ich noch die Körperteile auf Englisch mit ihnen geübt und einen Bewegungssong mit ihnen gesungen. Da haben sie richtig Freude dran gehabt. :-)
 






Donnerstag, 30. Mai 2013

Regenzeit

Ich dachte, die Regenzeit ist vorbei - 5 Minuten im afrikanischen Regen und ich war nass, als wäre ich in einen See gefallen. :D Ich glaub, so vom Regen durchtränkt war ich noch nie!

Mittwoch, 29. Mai 2013

Umzug nach Salasala



Am Samstag (18. Mai) sind wir innerhalb von Dar es Salaam in den Stadtteil Salasala, zu Beate ins Gästezimmer gezogen.

Hier in der Barabara ya Amani (Friedensstraße) ist nun für die restliche Zeit unseres Praktikums unser Zuhause.


Ja, wir wohnen noch in der 4,5 Millionen Stadt und das ist die Straße (kein Weg!) zu unserem Haus.


Nachts schlafen wir zu Grillenzirpen und einem Froschkonzert ein (2 Tümpel sind hier direkt gegenüber des Compounds) und werden morgens von Sonnenstrahlen, Vogelgezwitschert und den Kühen der Nachbarn geweckt.



 
 (Dank der lieben Briefe von Freunden aus Deutschland, die wir hier Woche für Woche öffnen dürfen, konnten wir uner Zimmer schon mit persönlichen Schätzen von Euch dekorieren. :-) Danke!)


Wach werden wir hier ganz ohne Café, da es nicht zum afrikanischen Standard gehört, so der Vermieter, einen Boiler mit in ein Haus zu bauen. Also ab unter die kalte Dusche! Doch bei 30 Grad Außentemperatur friert man sowieso nur viel zu kurz. :-)

 
(Die erste Tür führt zu einer kleinen Duschkabine, die Zweite zur Toilette.)

Und hier noch unsere Mitbewohner. 
Das ist unsere Wachhündin Callas:
         



Und unser Wachhund Manga:


 Und Hundetrainer Christian:
Leider haben die Zwei immer noch nicht verstanden, dass es ein Spiel deutscher Hunde ist, das Stöckchen zu holen und zu bringen… Noch schauen sie uns mit großen Augen an, nach dem Motto: Warum werfen die denn mit Stöcken?“ Naja.. Vielleicht wird’s ja noch. :-)


Ach ja… und die Geckos nicht zu vergessen. Die Kleinen lieben es, mir (Steffi) einen Schrecken einzujagen. Gestern Abend wasche ich mir die Hände als direkt neben mir ein Gecko von der Decke fällt. Ich hab mich tierisch erschreckt. Heute Morgen nach dem Duschen war ich also vorsichtig, bevor ich nach meinem Handtuch griff, doch - Platsch – landete sein kleiner Freund direkt auf meinem Fuß. Aber gut – Hautsache sie fressen hier viele Moskitos! :-)